Volksbegehren für G9 in NRW • Teil XIV: Wie aus Wahlprogrammen Koalitionsvereinbarungen werden • Elterninitiative: „Wir machen weiter!“ [mit Video]

Bernhard Wilms [ - Uhr]

[04.09.2017] Die Schulpolitik der rot-grünen Koalition in NRW hat mit hoher Wahrscheinlichkeit zu deren Abwahl beigetragen.

Ob es tatsächlich eine im Landtagswahlkampf von CDU und FDP in den Mittelpunkt gerückte „Benachteiligung der Gymnasien“ war, kann nur vermutet werden.

Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag heißt es dazu, dass man in der Frage G8 oder G9 zur Kenntnis nehme, dass der überwiegende Teil der Schüler und Elternschaft die G9-Gymnaisen favorisiere.
CDU und FDP wollen (als „Leitent­scheidung“) ab dem Schuljahr 2019/2020 den neunjährigen Bildungsgang (G9) wieder einführen.

Andererseits sollen Gymnasien eine „Wahlfreiheit“ zwischen G8 und G9 erhalten, also die, die bei G8 bleiben wollen, dies auch so entscheiden können.

Im Wahlprogramm der Landes-CDU findet man genau diese individuelle Wahlfreiheit, die schon vor der Wahl zu Irritationen führte, weil die CDU die Entscheidung den Schulkonferenzen und den Schulträgern (mit Ratsbeschluss) überlassen wollte.

Die FDP erklärte in ihrem Wahlprogramm, dass sie „einen Zwang zur Rückkehr aller Gymnasien zu G9 entschieden“ ablehne. Sie wolle dadurch die „Autonomie“ für die Schulen unterstützen.

Oberflächlich betrachtet könnte man meinen, dass durch die avisierte „Leitent­scheidung“ sich das Volksbegehren erledigt hat.

Das sieht der Sprecher der Elterninitiative, Marcos Hohenstein, keineswegs so, wie er BZMG auf Anfrage mitteilte:

„Das Volksbegehren hat sich nicht erledigt.

Was hat die Landesregierung vor?

  • Sie will G9 erst ab dem Schuljahr 2019/20 einführen, also erst in zwei Jahren!
  • Sie will fast 250.000 Kinder von G9 ausschließen, nämlich alle, die jetzt nach den Sommerferien in der 5., 6. und 7. Klasse sein werden, obwohl gerade deren Eltern sich seit dreieinhalb Jahren für G9 einsetzen.
  • Sie will den Schulen ermöglichen, die Rückkehr zu G9 durch Beschluss der Schulkonferenz auszuhebeln. Das hieße dann: doch dauerhaftes Verbleiben bei G8. Diesen Beschluss würden aber Eltern fällen, die jetzt in der Schulkonferenz sitzen und für deren Kinder es sowieso nicht mehr möglich ist, auf G9 umgestellt zu werden, da es laut Landesregierung ja nur um die Kinder geht, die ab 2019/2020 ans Gymnasium kommen. Das könnte dann in Gemeinden mit nur einem Gymnasium bedeuten, dass es für die Kinder gar keine Möglichkeit geben wird, ein G9-Gymnasium zu besuchen.
  • Sie will vielleicht ohne Not in der Oberstufe die hohen Wochenstundenzahlen beibehalten, die bis zu 11 Stunden Schule pro Tag bedeuten. Dieser Unsinn wurde nötig, als damals ein Jahr gestrichen wurde, die Stundenzahl bis zum Abitur aber unverändert bleiben musste.Wird wieder ein Jahr mehr unterrichtet (G9), ist es völlig unnötig, den Jugendlichen so lange Tage aufzubürden.

Was will unser Volksbegehren?

  • Wir wollen G9 schon im Schuljahr direkt nach erfolgreichem Abschluss des Volksbegehrens einführen, also in einem Jahr zum Schuljahr 2018/19.
  • Wir wollen in G9 auch die Kinder einbeziehen, die jetzt neu die 5., 6. und 7. Klasse besuchen (das wären in einem Jahr die Sechst- bis Achtklässler). Das hat in Niedersachsen sehr gut geklappt.
  • Wir wollen für schneller lernende Kinder die Möglichkeit, nach Wunsch ein Jahr zu überspringen. So wird sowohl G9 als auch G8 für alle wohnortnah möglich.
  • Wir wollen ein G9 mit Unterricht bis mittags und einem vielfältigen freiwilligen Angebot am Nachmittag, damit genügend Zeit für Hobbys, Freunde, Freizeit und das Familienleben bleibt.“ (Zitat Ende)

Nachdem die Termine für den Eintrag in Listen, die bei Kommunen auslagen, vorbei sind, ist dies nur noch über die so genannten „Sammelunterschriftenbögen“ möglich, über die interessierte Bürger weiterhin, nämlich bis zum 08.01.2018, die Elterninitiative unterstützen können.

Bis zu diesem Tag müssen die Listen beim Verein „Mehr Zeit für Kindheit und Jugend e.V.“ in Gummersbach vorliegen. Die Anschrift befindet sich auf den Listen.

Sammelunterschriftenbogen zum Download

Zu den bislang vorliegenden Unterschriften kann Marcus Hohenstein nur eine Schätzung abgeben, da die Listen bei den jeweiligen Sammlern zuhause sind oder auch z.T. von diesen an Ihre Stadtverwaltungen geleitet wurden, um das Wahlrecht der Befürworter zu bestätigen.

Nach Befragung eines Teils der über 5.600 registrierten Sammler rechnet man, dass über die Hälfte der notwendigen 1,06 Millionen schon mit den Unterschriften bei den Sammlern erreicht ist.

Am 12.05.2017, dem Freitag vor der NRW-Landtagswahl, beschrieb Hohenstein in einem Phoenix-Interview die Ziele der Initiative „G9-jetzt-NRW“ und erläuterte die unterschiedlichen Positionen der wahlkämpfenden Parteien:


Sollte die schwarz-gelbe Landesregierung den jeweiligen Gymnasien die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 überlassen, verlagert sie diese bildungspolitische Entscheidung und die entsprechende Verantwortung auf die unterste Ebene.

Darüber, in welchem Rahmen ein „Ratsbeschluss“ diese Entscheidung „sanktionieren“ muss, wie es im CDU-Wahlprogramm stand, ist im Koalitionsvertrag nichts (mehr) zu lesen.

Unbeschadet dessen, wie erfolgreich das Volksbegehren sein wird, ist nicht ausgeschlossen, dass Auseinandersetzungen zur Frage „G8 oder G9?“ zwischen Eltern das Ergebnis sein werden.

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